Stellungnahme des Vorstands der Deutsch-Russischen Juristenvereinigung e.V. zur zukünftigen Tätigkeit der DRJV. Beschlossen in Halle/Saale am 17. Februar 2024

Der Vorstand der DRJV hat sich am 16./17. Februar 2024 in Halle/Saale zu seiner jährlichen Strategiesitzung getroffen. Die zukünftige Ausrichtung der Tätigkeit der Vereinigung stand im Mittelpunkt des Treffens.

Wenige Tage vor dem 2. Jahrestag des Beginns des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und in einer Zeit fortgesetzten und verschärften Einsatzes rechtlicher Normen zur Unterdrückung der freien Meinungsäußerung und der zivilgesellschaftlichen Tätigkeit politisch Andersdenkender, muss die DRJV konstatieren, dass eine enge Kooperation mit russischen Berufskolleginnen und Berufskollegen leider nur noch eingeschränkt und eine Zusammenarbeit im institutionellen Format gar nicht mehr möglich ist. Dass das Vorstandstreffen an dem Tag stattfand, an dem der Tod Alexej Navalnys, eines Juristen und des führenden Kopfes der russischen Opposition, unter grausamen Umständen in einer als besonders unmenschlich eingestuften Strafkolonie im Nordosten Russlands bekannt wurde, unterstreicht wie kein anderes Beispiel den Rechtsmissbrauch in Russland und die Unmöglichkeit einer Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen im Bereich Forschung und Bildung und von staatlich gesteuerten berufsständischen Organisationen.

Mit Berufskolleginnen und Berufskollegen, die sich den fundamentalen Werten, denen sich unsere Vereinigung verpflichtet sieht „Rechtsstaat – Menschenrechte – Demokratie“, ebenfalls nachhaltig verbunden fühlen, wollen wir einen fachlichen und persönlichen Austausch gerne und intensiv fortführen. Dabei achten wir, soweit es uns möglich ist, darauf, dass die Mitwirkung in und eine Zusammenarbeit mit der DRJV für unsere russischen Mitglieder, Kolleginnen und Kollegen möglichst keine negativen Folgen hat.

Rechtsstaat – Menschenrechte – Demokratie, das sind die Werte, die der Vorstand der Vereinigung als einzige mögliche Grundlage der Tätigkeit der DRJV ansieht. Bei der Vorstandsklausur wurde beschlossen, diese Werte zu bekräftigen und zu verstärken. Der Vorstand wird der Mitgliederversammlung vorschlagen, diese Werte im Wege einer Satzungsänderung in der Grundordnung unserer Vereinigung zu verankern.

Der Vorstand der DRJV sieht eine Fortsetzung der professionellen Befassung mit dem Recht der Russländischen Föderation weiterhin als eine sinnvolle und rechtspolitisch unverzichtbare Aufgabe an. Auch wenn sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland stark reduziert haben und deutsche Rechtsanwaltskanzleien in Russland kaum noch tätig sind, besteht der Bedarf, sich mit den Entwicklungen im russischen Recht aus einer professionellen und kritischen Perspektive zu befassen, deutlich fort. Dies nicht zuletzt deshalb, weil an den deutschen akademischen Institutionen die früher weltweit führende Ostrechtsforschung in den letzten Jahrzehnten in unverantwortlicher Weise abgeschafft oder dramatisch reduziert worden ist. Die DRJV kann auch weiterhin in beide Richtungen wirken: Sie kann das Wissen über das Recht der Russländischen Föderation auf aktuellem Stand halten und entsprechend mit ihren Publikationen darüber berichten und sie kann über Publikationen, Soziale Medien und in Form von Webinaren russischen Juristinnen und Juristen das Recht der Bundesrepublik Deutschland und die rechtsstaatlichen Grundlagen der Tätigkeit unserer Vereinigung vermitteln.

Zudem sind durch die aktuellen Entwicklungen weitere, auch neue Themen zu besonderer Bedeutung gelangt. Dies sind die umfassenden Sanktionsvorschriften gegen Russland, ihre Auslegung, Anwendung und Rechtmäßigkeit, ihre Auswirkungen auf andere rechtliche Bereiche wie z.B. das Bankrecht und den Zahlungsverkehr, gerichtliche und schiedsgerichtliche Verfahren oder das Recht des Geistigen Eigentums sowie z.B. migrationsrechtliche Fragen.

Die DRJV wird ihre Arbeit engagiert fortführen, aber in geänderter Form und mit geänderten Inhalten. Die Unterstützung russischer Emigranten in Deutschland und insbesondere von hier lebenden russischen Berufskolleginnen und Berufskollegen hat dabei einen hohen Stellenwert. Die DRJV sieht sich auch in Zukunft als zentrale Vereinigung für Menschen mit professionellem Wissen und Erfahrungen zum russischen Recht. Die Hoffnung, dass die diktatorischen und rechtsfeindlichen Verhältnisse in der Russländischen Föderation ein Ende haben könnten und eine echte Bilateralität, ein gleichberechtigter Austausch zwischen Expertinnen und Experten aus beiden Ländern, wieder möglich wird, diese Hoffnung werden wir nicht aufgeben.

Der Vorstand der DRJV

Beschlossen in Halle/Saale am 17. Februar 2024

Ein Jahr Krieg in der Ukraine

Seit einem Jahr herrscht Krieg in der Ukraine. Ein Krieg, der einseitig von Russland begonnen wurde und der mit großer Brutalität geführt wird. Der 24. Februar 2022 markiert eine tief einschneidende historische Zäsur. Ein Angriffskrieg in der Mitte Europas. Mit Entsetzen und Erschütterung betrachtet auch der Vorstand der Deutsch-Russischen Juristenvereinigung (DRJV) den russischen Angriffskrieg und die schrecklichen Auswirkungen, die dieser Krieg auf die Menschen nicht nur in der Ukraine hat. Völkerrechtsverletzungen der russischen Streitkräfte geschehen tagtäglich. Neben dem zu beklagenden Leid der betroffenen Menschen, Soldaten und in unverantwortlicher Weise der Zivilbevölkerung, stellen sich Juristinnen und Juristen der juristischen Dimension von Krieg, Vertreibung und Exil. Dabei geht es nicht nur um die Verbrechen in der Ukraine selbst, es geht auch um die immer stärkere Unterdrückung in Russland, die Zerschlagung noch vorhandener, autonomer zivilgesellschaftlicher Organisationen, um die Eliminierung der freien Meinungsäußerung, die Zerstörung der Beziehungen zum Ausland und vieles mehr.

Vor einem Jahr hat der Vorstand der DRJV unmittelbar bei Kriegsausbruch eine eindeutige Erklärung zum Angriffskrieg Russlands in der Ukraine veröffentlicht. Die Erklärung wurde im Juni 2022 auf Beschluss der Mitgliederversammlung ohne Gegenstimme als „Frankfurter Erklärung der DRJV zum Rechtsdialog mit Russland in schwerer Zeit“ bekräftigt.

Anfang Februar 2023 hat der Vorstand der DRJV eine Klausurtagung in Göttingen abgehalten. Die juristische Einschätzung des Krieges und der Auswirkungen auf die Arbeit der DRJV waren Themen einer sehr ausführlichen und – bei aller grundsätzlichen Einigkeit in der Bewertung des Kriegsgeschehens – teilweise auch konträren Debatte. Der Vorstand der DRJV hat in Göttingen entschieden, aus Anlass des Jahrestages des Kriegsbeginns die folgende Erklärung zu veröffentlichen.

Göttinger Erklärung des Vorstands der Deutsch-Russischen Juristenvereinigung (DRJV) zum Jahrestag des Kriegsbeginns in der Ukraine am 24. Februar 2023

Der russische Angriff auf die Ukraine stellt einen gravierenden Verstoß gegen das Völker-recht dar. Die Art der russischen Kriegsführung in der Ukraine verletzt zahlreiche Normen des internationalen wie des eigenen, russischen Rechts. Gezielte Angriffe auf die zivile Infrastruktur stellen Kriegsverbrechen dar. Berichte über Massaker, Folter, sexualisierte Gewalt und Deportationen deuten in dieselbe Richtung und bedürfen sachkundiger Dokumentation, Beweissicherung und objektiver Aufarbeitung.

Die bereits 2014 erfolgte Annexion der Krim und die neuerliche Annexion weiterer Teile der Ukraine (Donezk, Luhansk, Cherson, Saporischschja) auf der Grundlage haltloser Argumente und gestützt auf Scheinreferenden sind Ausfluss imperialen Strebens, das Europa so tief wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht erschüttert. Sie sind völkerrechtlich inakzeptabel, wurden von der UN-Generalversammlung mit überwältigenden Mehrheiten als völkerrechtswidrig zurückgewiesen und sind von keinem souveränen Staat anerkannt worden.

Auch in Russland werden immer repressivere Gesetze in offensichtlichem Widerspruch zur eigenen Verfassung verabschiedet. Die Teilmobilisierung junger Männer erfolgte in gegen eigene Gesetze verstoßender Weise, das Recht auf Wehrdienstverweigerung wird missachtet. Oppositionelle Stimmen werden scharf verfolgt und zivilgesellschaftliche Organisationen zerschlagen. Die Meinungs- und Informationsfreiheit existiert in Russland nicht mehr. Diese Entwicklungen haben zu einer Auswanderungswelle historischen Ausmaßes geführt.

Wir, der Vorstand der DRJV, befassen uns – wie auch sehr viele unserer Mitglieder – mit hoher Dringlichkeit mit den Rechtsfragen des Krieges gegen die Ukraine, mit den Sanktionsregimen, mit Fragen der Fortsetzung oder der Beendigung wirtschaftlicher Zusammenarbeit, mit den juristischen Aspekten der Migration und vielen anderen rechtlichen Themen in diesem Zusammenhang. Wir haben die Fragen der Rolle der DRJV in dieser Zeit und der Grundlagen unserer zukünftigen Arbeit in aller Ausführlichkeit analysiert und diskutiert.

Wir kennen den Wunsch unserer Mitglieder, die Arbeit der DRJV trotz der dramatischen Veränderungen engagiert fortzusetzen. Dennoch gibt es unbestreitbar Grenzen einer Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen in Russland, die früher so nicht existiert haben. Eine institutionelle Zusammenarbeit mit russischen akademischen oder berufsständischen Einrichtungen ist zurzeit ausgeschlossen.

Gleichwohl stehen wir einem Rechtsdialog auf rechtsstaatlicher Basis und in qualifizierter Form weiterhin offen gegenüber. Damit ein solcher Dialog Sinn hat, muss eine Einigkeit über grundlegende Rechtsprinzipien gegeben sein. Dabei sehen wir auch unsere Verantwortung, russische Kolleginnen und Kollegen nicht in Gefahr zu bringen, nur weil sie freundschaftliche, berufliche Kontakte zur DRJV beibehalten oder herstellen wollen.

Für die weitere Tätigkeit der DRJV bedeutet dies, dass wir die rechtlichen Veränderungen in Russland, sowohl hinsichtlich der Rechtssetzung wie auch der Rechtsanwendung genauestens beobachten und Rechtsverstöße deutlich benennen werden. Schwerpunkte unserer Aktivitäten werden im Verfassungsrecht, Völkerrecht, Völkerstrafrecht und anderen Rechtsgebieten liegen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Krieg stehen. Die Einrichtung eines Sondertribunals oder die mögliche Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag werden wir aus rechtlicher Perspektive beobachten. Wir werden auch die Gesetzgebung Russlands weiter verfolgen, wobei wir besondere Aufmerksamkeit dem Schutz der Grundrechte und der bürgerlichen Freiheiten widmen. Wirtschaftliche Zusammenarbeit, soweit noch möglich, und Sanktionsrechtsfragen gehören weiterhin zum Kernbereich unserer Aktivitäten. Den ins Ausland geflüchteten russischen Kolleginnen und Kollegen wollen wir im Rahmen unserer Möglichkeiten Unterstützung in migrationsrechtlichen Fragen und bei der Beschäftigungssuche bieten.

Um insbesondere junge Juristinnen und Juristen aus Russland mit dem deutschen Rechtssystem vertraut zu machen, bieten wir weiterhin unsere Schulen und Einführungen zum deutschen Recht in russischer Sprache an.

Wir sind der festen Überzeugung, dass nur rechtsstaatliche Prinzipien Leitlinien für politisches Handeln sein können. Nur so kann der Frieden in Europa wiedergewonnen werden. Unser tief empfundenes, herzliches Mitgefühl gilt allen Opfern dieses schrecklichen Krieges.

Deutsch-Russische Juristenvereinigung e.V.
Beschluss des Vorstands
Februar 2023

Seit mehr als 33 Jahren widmen wir uns mit großem Engagement den Rechtsbeziehungen zwischen Russland und Deutschland. In unzähligen Konferenzen, Zusammenkünften, Publikationen etc. haben wir uns für Recht und Gerechtigkeit in beiden Rechtssystemen eingesetzt. Unsere Website mit umfangreichen, frei zugänglichen Informationen und einem großen Archiv zeugt davon. Die aktuellen Ereignisse haben uns in unseren Grundfesten erschüttert. Die „Frankfurter Erklärung der Deutsch-Russischen Juristenvereinigung zum Rechtsdialog mit Russland in schwerer Zeit“ finden Sie nachstehend. Sie wurde auf der Mitgliederversammlung der DRJV am 24.6.2022 in Frankfurt ausgiebig diskutiert und ohne Gegenstimme angenommen.

In der aktuellen Situation können wir nicht wie gewohnt weiter tätig sein. Diese Überzeugung läuft für die DRJV auf ein weiteres Vorgehen in mehreren Phasen hinaus. Die Mitgliederversammlung beschloss, das nächste Jahr bis zur Mitgliederversammlung 2023 als Übergangsphase zu betrachten. In dieser Periode soll der Vorstand der DRJV die Aktivitäten der Vereinigung mit Vorsicht und Umsicht fortführen. Geeignete Möglichkeiten zum Dialog sollen wahrgenommen werden. Russische Kolleg:innen dürfen durch die Teilnahme an DRJV-Aktivitäten in ihrem Heimatland nicht in Gefahr geraten. Dies legt es nahe, in der Übergangszeit mehr eine beobachtende Perspektive wahrzunehmen als einem Kooperationsansatz zu folgen.

Frankfurter Erklärung der Deutsch-Russischen Juristenvereinigung zum Rechtsdialog mit Russland in schwerer Zeit

Die Deutsch-Russische Juristenvereinigung e.V. ist bestürzt über den von Russland gegen die Ukraine geführten Krieg und missbilligt diesen. Wir können keinerlei völkerrechtliche, politische oder sonstige Gründe erkennen, die es erlauben, die Friedensordnung in Europa zu zerstören. Auch die Verfassung der Russischen Föderation erlaubt einen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht. Wir weisen historische Erklärungen, die beabsichtigen, die Staatsgrenzen der Ukraine und deren nationale Souveränität infrage zu stellen, entschieden zurück, da sie jeder denkbaren Rechtsgrundlage entbehren. Nur die Anerkennung bestehender Grenzen in Europa ist geeignet, friedensstiftende und dauerhafte Lösungen herbeizuführen. Die Beendigung des Krieges muss auf der Grundlage der international anerkannten Regeln des Völkerrechts erfolgen.

Wir Juristen sind dem Recht, dem Gesetz und der Gerechtigkeit verpflichtet. Willkür und Rechtsbruch werden von uns auf das schärfste abgelehnt und bekämpft. Die Deutsch-Russische Juristenvereinigung e.V. wird wie bisher auch in Zukunft unterschiedlichen professionellen Meinungen eine offene Plattform bieten. Wir lieben es, sachlich und fachlich zu diskutieren. Dem Rechtsmissbrauch und dem Rechtsnihilismus wird sich unsere Vereinigung auch zukünftig nach Kräften widersetzen. Unsere Sympathie gilt unverändert den Berufskollegen und den nach Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit strebenden Menschen in der Ukraine und in Russland.

Wir sehen uns solidarisch verbunden mit unserer Partnerorganisation, der Deutsch-Ukrainischen Juristenvereinigung e.V. Allen denen, die Leid und Verlust, Schmerz und Trauer aufgrund dieses furchtbaren Angriffs auf die Ukraine erleiden, gilt unser tief empfundenes Mitgefühl.

DRJV-Stammtisch in Berlin, 22. Februar 2024

Februar 22nd, 2024

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DRJV Stammtisch Rhein-Main

Januar 25th, 2024

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DRJV-Stammtisch in Hamburg

Januar 24th, 2024

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DRJV-Stammtisch in Hamburg, 28. September 2023

September 28th, 2023

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DRJV-Konferenz zum Thema: „Der Angriff auf die Ukraine und das Recht““

Juni 23rd, 2023

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Frühjahrsschule „Einführung in das deutsche Zivilrecht“ (in russischer Sprache)

März 18th, 2023

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Göttinger Erklärung des Vorstands der DRJV

März 16th, 2023

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Veranstaltung „Russische NGOs stellen sich vor – KPP (Komitee gegen Folter) und OVD Info“ in Berlin, 12. Januar 2023

Januar 12th, 2023

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Verfahrensbeistand (m/w/d) mit Russischkenntnissen gesucht!

Dezember 19th, 2022

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Berliner Stammtisch, 30. November 2022

November 30th, 2022

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